Standpunkt: Wahrheit und Wissenschaft

Mein Standpunkt vom 11.07.2023

Von Alexander Ambronn

Wenn wir 380 Jahre in der europäischen Wissenschaftsgeschichte zurückgehen, stoßen wir auf den italienischen Gelehrten Galileo Galilei (1564 – 1641). Galilei entwickelte die Methode, die Natur durch die Kombination von Experimenten, Messungen und mathematischen Analysen zu erforschen. Damit wurde er zu einem der Begründer der neuzeitlichen exakten Naturwissenschaften (Wikipedia).

Galilei fand heraus, dass sich die Erde um die eigene Achse und um die Sonne dreht. Das stand im Widerspruch zur Bibel und dem katholischen Weltbild, wonach die Erde der Mittelpunkt des Universums war.

1632 wurde Galilei von der Inquisition angeklagt. Nur weil er seinen Theorien abschwor, entkam er mit knapper Not dem Tod auf dem Scheiterhaufen. Er wurde zu lebenslanger Kerkerhaft verurteilt und verbrachte seine letzten Lebensjahre unter strengem Hausarrest. 1992 hat die katholische Kirche ihn rehabilitiert.

Spätestens jetzt müsste es einigen doch dämmern. Kommt mir das nicht irgendwie bekannt vor?

Klimawandel, Pandemie, Krieg in der Ukraine. Gibt es denn wirklich immer nur eine Meinung? Steht heute nicht immer noch unter der Strafe der Ächtung, wer etwas anderes behauptet? Haben wir in den vergangenen 380 Jahren denn nichts gelernt?

Voltaire (1694 – 1778), einem der bedeutendsten Philosophen der Aufklärung und wortmächtigen Kritiker des damaligen Absolutismus, der Feudalherrschaft und des weltanschaulichen Monopols der katholischen Kirche wird (vermutlich fälschlicherweise) der Satz zugeschrieben: „Ich missbillige, was du sagst, aber würde bis auf den Tod dein Recht verteidigen, es zu sagen“.

Heute würde man Galilei und Voltaire das Etikett „Querdenker“ anhängen, wenn nicht Schlimmeres. Ich habe den Eindruck, dass wir uns in der Geschichte zurückentwickeln. Zustände, die ich in einer modernen Gesellschaft für endgültig überwunden geglaubt habe, feiern fröhliche Urständ.

Was ist eigentlich so schwer daran, abweichende Meinungen zu Wort kommen zu lassen? Das kann nur daran liegen, dass man sich seiner eigenen Ansicht gar nicht so sicher ist. Wo bleibt denn die Neugier, Neues zu entdecken, sich weiterzuentwickeln?

Galilei ist ein sprechendes Beispiel dafür, dass sich die Wirklichkeit nicht auf Dauer unterdrücken lässt.
Nehmen Sie sich einfach mal ein paar Minuten Zeit und denken Sie ernsthaft darüber nach, was stärker ist: die wirkliche Wirklichkeit oder die Wirklichkeit, die wir uns vorstellen und wünschen?

Wenn Sie zu dem Ergebnis kommen, dass an der wirklichen Wirklichkeit kein Weg vorbeiführt, dann sollten wir doch alles unternehmen, um herauszufinden, wie diese Wirklichkeit beschaffen ist. Auf diesem Weg müssen wir, so meine ich, zulassen, dass Andere ihren Standpunkt äußern dürfen und dass wir uns sachlich damit auseinandersetzen. Das ist unbequem, macht Mühe und ist anstrengend. Es fordert einen heraus. Doch mal ehrlich: führt denn ein Weg daran vorbei? Ein Weg der versucht die wirkliche Wirklichkeit nach Wünschen, Plänen und Vorstellungen umzuformen, muss doch ein Irrweg sein.

Finden Sie nicht auch?

Herzlichst Ihr

Alexander Ambronn

Standpunkte geben ausschließlich die persönliche Meinung des Verfassers wieder