Hans-Georg Maaßen in Bad Aibling

Der Kursaal in Bad Aibling fasst 650 Menschen. Als Hans-Georg Maaßen am Abend des 19. Juli ans Rednerpult tritt, ist der Saal bis auf den letzten Platz gefüllt.

Maaßen, promovierter Jurist, Mitglied der CDU, Vorsitzender der Werteunion und bis 2018 Präsident des Verfassungsschutzes ist umstritten. Die Medien hängen ihm schon mal das Etikett „rechtspopulistisch“ an. Die CDU hat ein Parteiauschlussverfahren eingeleitet und ist damit vorerst gescheitert. Bevor Maaßen die Leitung des Verfassungsschutzes übernahm, war er als Spitzenbeamter im Bundesinnenministerium tätig. Viele Gesetze und Vorschriften im Ausländerrecht gehen auf Maaßen zurück. Er war Mitautor eines Kommentars zum Grundgesetz beim renommierten Beck Verlag. Erst auf politischen Druck beendete der Verlag Maaßens Autorenschaft.

Maaßen hat etwas zu sagen. Er hat Meinungen und traut sich, diese zu äußern. Auch vor Publikum.

Maaßen schilderte, dass seine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand 2018 nicht nur eine berufliche Zäsur darstellte. Mit seiner Entlassung wurde ihm schlagartig bewusst, dass die öffentlichen Medien in Deutschland nicht wahrheitsgemäß berichteten und das mit voller Absicht. Maaßen, der in seinem Vortrag wiederholt betonte, dass er als Jurist mit tiefer Überzeugung auf dem Boden des Grundgesetzes stehe und der sich als Anhänger der parlamentarischen Demokratie bezeichnete, schilderte aus eigener Erfahrung, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk und die Leitmedien ihre journalistische Macht in demokratiegefährdender Weise einsetzten. Was wir heute im Fernsehen hörten und in den Printmedien lesen würden, sei Haltungsjournalismus, der dem Auftrag eine kritische vierte Gewalt in der Demokratie zu sein, nicht gerecht werde. Vielmehr untergrabe diese Art des Journalismus die Meinungsvielfalt, enge den politischen Diskurs massiv ein. Kritische Kontrolle der Politiker und ihrer Vorhaben durch die Mainstreammedien fände seit geraumer Zeit in Deutschland nicht mehr statt.

Maaßen kritisierte die fehlende Unabhängigkeit der Justiz, da die Staatsanwaltschaften den Innenministern unterstellt und weisungsgebunden seien. Maaßen stellte zudem die Frage in den Raum, wie ein ehemals stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU Präsident des BVerfG werden könne. Eine Gewaltenteilung nach der Vorstellung des Grundgesetzes, in der sich die Institutionen gegenseitig kontrollierten, gebe es derzeit in Deutschland nicht mehr.

In seinem frei gehaltenen Vortrag blieb Maaßen immer moderat im Ton, sprach ruhig und sachlich. Zu einigen Sachverhalten wählte er allerdings zugespitzte Formulierungen. Zum Beispiel wenn er davon sprach, die Grünen seien eine Sekte, sie seien Öko-Sozialisten, die uns Bürgern vorschreiben wollten, wie wir zu leben hätten. Die Grünen strebten eine andere Staatsform an, die Maaßen mit dem Regime der alten DDR verglich. Diese grüne Ideologie fände sich mittlerweile in allen Parteien wieder, die in deutschen Parlamenten die Regierungen stellten. Ganz gleich, welche Partei man wähle, es sei grüne Ideologie drin.

Das Vehikel, mit dem diese Veränderung vorangetrieben und schließlich durchgesetzt werde, sei das Narrativ vom menschengemachten Klimawandel, der unsere Existenz auf der Erde bedrohe. Uns werde eingeredet, dass es zu den Maßnahmen der Regierung keine Alternative gebe. Ja manche Politiker würden ganz offen davon sprechen, dass Demokratie und Freiheitsrechte hinter dem Ziel des Klimaschutzes zurücktreten müssten.

Dies sei nicht sein Verständnis von freiheitlicher Demokratie auf dem Boden des Grundgesetzes, betonte Maaßen. In einer Demokratie nach Maaßens Verständnis müsse man sich mit dem politischen Gegner auseinandersetzen, einander zuhören, argumentieren, überzeugen. Heute würden politisch Andersdenkende nicht mehr als Gegner bezeichnet, sondern als Feinde, die es zu vernichten gelte.

Die parlamentarische Demokratie ist nach Maaßen in großer Gefahr. Es werde gewissermaßen ein Krieg geführt gegen alle, die das gängige Narrativ in Frage stellten mit dem Ziel, diese Feinde zu vernichten. Während viele Menschen meinten, dieser Krieg sei bereits verloren oder aus Sicht vieler Politiker bereits gewonnen, behauptete Maaßen, dass wir erst am Anfang stehen. Es gelte jetzt, die Menschen zu mobilisieren, die Freiheit und Demokratie wollen. Dies fange mit der Selbstmobilisierung an. Es brauche eine breite Bewegung. Maaßen rief dazu auf in die Werteunion einzutreten. Die Mitgliedschaft sei nicht parteigebunden.

Auf eine Frage aus dem Publikum bekannte sich Maaßen zu Elementen der direkten Demokratie, zum Beispiel nach Schweizer Vorbild. Dies setze allerdings zwingend voraus, dass der Journalismus wieder zu einer echten Vierten Gewalt werde und die Menschen wirklich informiere, so dass sie fundierte Entscheidungen treffen könnten. Maaßen führte noch eine zweite Bedingung auf. In den Schulen müsse wieder politische Bildung gelehrt werden. Junge Menschen müssten erst wieder lernen, was es heißt, sich in einer freiheitlich-parlamentarischen Demokratie kritisch mit den Vorstellungen von Parteien und Politikern und fair mit dem politischen Gegner auseinanderzusetzen, sich umfassend zu informieren und sich auf dem Boden des Grundgesetzes zu bewegen.

Mehrfach erhielt Maaßen für seine Äußerungen Zwischenapplaus. Am Ende seiner Rede erhielt er stehende Ovationen und dann noch einmal, als er nach der Fragerunde verabschiedet wurde.

Alexander Ambronn